Groupshow with Claudia Schiffer
On mimesis and other mild disOrientations in space
conceived by Ariane Müller and with works by Martin Ebner, Matthias Groebel, Sebastian Luetgert, Julia Scher, Valerie Stahl Stromberg, Josef Strau, Miriam Yammad
15.07.- 30.08.2023
Opening 14.07.2023, 7 p.m.
Finissage 30.08.2023, 7 p.m.
WAF
Schadekgasse 8
1060 Wien
www.wafgalerie.com
Diese Ausstellung dreht sich um das Sich Erkennen im Blick eines anderen Menschen. Sie endet dort, wo man selbst, so wie zu Ende einer Liebesbeziehung, aus diesem Blick des Anderen verschwindet. Diese leichte Verschiebung des Blicks, der einen enthält oder nicht enthält, umfasst die ganze Katastrophe des Bruchs.
Etwas Ähnliches ist in der Entwicklung der technische Abbildbarkeit von Menschen passiert. Die Simulation des menschlichen Abbilds konfrontiert uns mit einem Blick, der nie einen Menschen erkannt hat. Das Gegenüber dieses Blicks aus dem wir vollständig verschwunden sind und der uns nicht erkennen, sondern immer nur berechnen kann, wirft uns, wenn wir mit ihm konfrontiert sind, in einen ähnlichen Abgrund an Einsamkeit wie das Verschwinden aus dem Blick des Anderen.
Dem gegenüber steht in der Ausstellung die Ähnlichkeit, und das Suchen nach dem Ähnlichen im Anderen. Auch hier haben wir die Maschinen auf unsere Spur geschickt, die durch das Vermessen der Parameter eines Gesichts versuchen aus dem Ähnlichen die genaue Übereinstimmung herauszufiltern. Meist für nichts Gutes. Aber die Ähnlichkeit zu den anderen ist darin unser Schutz und sie erkennen und antizipieren zu können, der zugeneigte Blick, unser Privileg.
This exhibition revolves around recognizing oneself in the gaze of another. The exhibition ceases at the point when one’s own presence, similar to the end of a romantic relationship, fades from the gaze of the other. It is this subtle shift in regard, whether it offers containment or not, that encompasses the catastrophe of rupture in its entirety.
The advancement of the technical representability of human beings has witnessed a similar unfolding. The simulation of the human likeness confronts us with a gaze that itself has never beheld another human. The counterpart of this gaze, from which we have entirely vanished and which cannot recognize but only ever allow for us in its calculations, casts us into a similar chasm of solitude when we are confronted by it.
Opposing this is the notion of resemblance within the exhibition, and the search for that which resembles in the other. Here too, we have set the machines to follow in our footsteps, which attempt by way of measuring the parameters of a face to extract conformity from similarity. And generally, for no good. Yet in likeness to others lies our refuge, in our recognition and anticipation of others, in the affectionate gaze, our privilege.
Photo: Thomas Ruff, Josef Strau (Blue Eyes), 1991 (Ausschnitt)
Der Titel der Ausstellung schreibt die Entstehung einer Arbeit des deutschen Fotografen Thomas Ruff weiter, einer Fotografie, die 1991 als Edition für das Kunstmagazin Texte zur Kunst entstanden ist. Sie war Teil einer Portraitserie von KünstlerInnen aus der Kölner und Düsseldorfer Kunstszene, deren Augen alle durch andere, anonyme blaue Augen ersetzt wurden. Im Fall des Fotos, das Ruff vom Künstler Josef Strau für die TzK Edition gemacht hat, heisst es, dass Ruff die Augen des ikonischen deutschen Models Claudia Schiffer verwendet hat. In diesem Foto, das in einer gewissen Nüchternheit das Abbild eines Menschen wiederzugeben scheint, spieglen nun gerade die Augen eine völlig andere Person / ein anderes Geschlecht / einen anderen Erfahrungshorizont / ein anderes Selbstverständnis. Die blauen Augen sind sprachlich und bildlich dabei dem Bild des deutschen Menschens zugeordnet. Eine Konstruktion, die hier von Thomas Ruff durchaus auch absichtlich eingesetzt wird, nachdem ihm genau das bei seinen früheren Portraits seiner Mitstudierenden vorgeworfen wurde. Die Aufgabe des Portraits seit dem Beginn der Kunstgeschichte den Portraitierten in seiner Einzelartigkeit zu erfassen wird jedenfalls durch die abweichende Information der Augen, auf die sich der Blick bei längerer Betrachtung konzentriert, korrumpiert. Hier ist niemand.
Photos: kunst-dokumentation.com
Miriam Yammad, Self-portrait
2008-2023
Über Mimesis und andere leichte DesOrientierungen im Raum ist der Titel der PhD-Arbeit der Künstlerin Miriam Yammad und hier für die Ausstellung entlehnt. Ihre Arbeit im Ausstellungsraum besteht aus 7 fotografischen Portraits aus einer Serie von bis heute 11 Bildern, die zwischen 2008 und 2023 entstanden sind. Es sind Fotografien von Personen, von denen die Künstlerin denkt, dass sie ihr ähnlich sehen. Sie stellen damit für die Künstlerin das plötzliche Aufblitzen des Ähnlichen in der Menge der unterschiedlichen Gesichter dar, die uns jeden Tag umgeben.
Josef Strau, Matthias Groebel, Valerie Stahl Stromberg
Valerie Stahl Stromberg, Non-Algo series 103
(Mother & Daughter, Huaihai Lu, Shanghai)
2010/2023
Valerie Stahl Stromberg fotografierte in verschiedenen Zusammenhängen Paare aus Mutter und Tochter. In der Ausstellung finden sich zwei Aufnahmen, eine 2010 in Shanghai entstanden, die andere 2015 in Kos. Fast automatisch untersucht man die jeweils zwei unterschiedlichen Menschen auf ihre Ähnlichkeit, so wie man das selbst wohl mit seinen Eltern immer wieder gemacht hat. Das Bild aus Kos bezieht seine affektive Dichte auch aus dem Umstand, dass die abgebildeten Mutter und Tochter eben aus einem Schiffswrack vor der griechischen Küste gerettet wurden.
Martin Ebner, Potential Passenger
2006
Die von Martin Ebner rund um 2005 entworfene digitale Portraitserie und das korrespondierende Holzobjekt haben die verstärkt einsetzende Automatisierung der flächendeckenden Überwachung und datenbezogene Auswertung des öffentlichen Raumes zur Grundlage. Individuelle und sich im Laufe des Lebens kaum ändernde „Gesichtssignaturen“, bestehend aus Datensets von wenigen Kilobytes, sorgen für die eindeutige Identifizierung des Subjektes. Durch wenige Veränderungen von Bild zu Bild ergibt sich in der Serie die Verwandlung des Selbstportraits in gänzlich andere Personen. Gleichzeitig entwickelt sich ein affektiver Bezug zu dem dahinter liegenden Bild des Selbst, eine Zugeneigtheit zu einem prekären Individuums, ähnlich der gegenüber zu Unrecht Inhaftierten.
Martin Ebner
In An Ideal World, The Coordinates Of All Sensors Would Match
2004
Matthias Groebel, Untitled
1994
In den zwei gezeigten Arbeiten von Matthias Groebel kann man doppelte Zeitbilder sehen. Sie stammen aus den frühen 1990er Jahren und zeigen zum einen eine damals im Entstehen begriffene Medienlandschaft, die des frühen Privatfernsehens mit seiner Kapitalisierung großer Bereiche des täglichen Lebens in der Verwendung in Game Shows und Reality TV. Aus dem Fernseher rührt die flaue Farbigkeit, eingefangen durch eine vom Künstler erfundene Malmaschine, anonymisiert nicht nur weil niemand mehr weiss, wer die abgebildeten Menschen sind, deren Präsenz dennoch eine individuelle Existenz suggeriert, zum anderen weil noch nicht einmal das Tun des Künstlers sie wieder mit einer Erzählung ausstattet. Bloss eine Maschine, die Zeile für Zeile den vom Künstler gewählten Farbauftrag anlegt.
Matthias Groebel, Trusted Faces, Videoloop, 1995
Matthias Groebel, Trusted Faces, Videoloop, 1995
Martin Ebner, In an Ideal World…, 2004
Matthias Groebel, Martin Ebner
Sebastian Luetgert, Untitled
2020
Dieser Beginn einer Entwicklung der technischen Erzeugung des Abbilds des Menschen, ohne dabei einen realen Menschen, sondern nur seinen statistischen Durchschnitt abzubilden, realisiert sich in ihrem zeitgenössischen Diskurs in der Arbeit von Sebastian Luetgert. Die hier gezeigten Portraits, wahllos auf einem Tisch verstreut, als müssten sie erst geordnet werden, dabei immer die selben Varianten zeigend, entstammen der künstlichen Intelligenz, in dem Fall StyleGAN. Dem Zusammenspiel von zwei Computern, einem der Zufallsdaten produziert und einem, der in „heiß-kalt“ Manier die Wahrscheinlichkeit benennt, das Bild eines Menschen aus diesen Daten lesen zu können. Sebastian Luetgert hat in der 2020 entandenen Arbeit in den Code von StyleGAN eingegriffen und den Durchschnittspunkt dieses zu erzeugenden Menschen verschoben. Dies sind also Varianten von durch Algorithmen zugespitzten Menschenbildern.
Ariane Müller, Romance Scam
2019
Vergleichbare, entlang eines Settings berechnete „Durchschnittsgesichter“ sieht man in der Arbeit von Ariane Müller, die die Ausstellung auch kuratiert hat und von der nicht zuletzt auch dieser Text ist. Ungefragt an weiblich gelesene Menschen verschickt, die wahrscheinlich auch nach Alter und Einkommen sortiert werden,
sind das generierte Gesichter, die sogenannten „Romance Scam“ E-Mails angeheftet werden. Man sieht den Computer geradezu entlang banaler Kriterien Menschen zusammenzimmern, die mimetisch das Elend bebildern, das eine konventionelle heterosexuelle Begehrenslogik für Frauen vorgesehen hat. Weiterbearbeitet, radikalisert, wurden sie in diesem Fall nicht von einem veränderten Programm, sondern durch kleine zeichnerische Eingriffe eines Menschen.
Josef Strau, Tears and New Tears. Poster no. 5
2018
Dieser Imitatio gegenüber steht bei Josef Strau die mimetische Geste an sich, die Sprache, also die Möglichkeit Erlebtes und Gefühle nicht nur weiterzugeben, sondern im Schreiben oder Erzählen sich überhaupt erst zu entwickeln. In dem in der Ausstellung gezeigten Textbild passiert dies doppelt, indem die Sprache in ihr Bild, die Traurigkeit / die Träne, wieder hineingefaltet ist, so wie sie sich als Text aus dem Geschehen selbst herausfaltet. Hier entsteht nicht nur das Portrait, sondern die Person, das Leben an sich, durch das Schreiben.
Eine 40-minütige Pilotsendung von Julia Scher, gedreht für eine geplante und später dann doch nicht realisierte Show im Musiksender MTV, führt im beschwingten Talkshow-Format einen kritischen Diskurs über die seit den 1980er Jahren rapide sich verbreitende und als Sicherheitstechniken verkaufte Komplettüberwachung des öffentlichen Raumes. In ihrem Fall als Fernsehsendung mit verschiedenen AktivistInnen der queeren Community über Cruisen, das spielerische Unterlaufen von Kontrolle und dem Stellenwert der Anonymität bei der Suche nach Ähnlichkeiten.
Mit herzlichem Dank an alle KünstlerInnen, Beteiligte, Unterstützende, LeihgeberInnen und Sponsoren.
Ganz besonderer Dank an Lisa Jäger, Philipp Pess und Amer Abbas.